Schmuckgeschichten

Eine Kulturgeschichte des Saphirs

Das Juwel der Juwelen

von Lea Felicitas Döding

Ein himmlisches Blau

Schon seit Jahrhunderten zählt der Saphir zu den kostbarsten Edelsteinen, gemeinsam mit dem Diamanten, dem Rubin und dem Smaragd. Obwohl der Saphir in verschiedenen Farben vorkommt, ist es die blaue Variante dieses Steines, welche wir mit dem Namen Saphir assoziieren, und welche bereits in den mittelalterlichen Lapidarien diskutiert wird: Texten in Prosa- oder Versform, welche die physischen und vermeintlich schützenden Eigenschaften behandeln, welche man verschiedensten Steinen zuschrieb.

Antike Sternbrosche mit Saphircabochon und Diamanten, um 1880

Alle anderen Farbvarianten dieses Edelsteins erhielten eigene Beinamen. So nannte man etwa den gelben Saphir einen Orientalischen Topas, oder den violetten Saphir einen Orientalischen Amethyst, nach ihren Fundorten im damaligen Ceylon oder Burma. Diese Tatsache weist darauf hin, dass schon in früheren Zeiten der blaue Saphir als der wesentliche Saphir galt: Denn es war seine blaue Farbe, die ihn mit der Vorstellung des Himmels verband, und derenthalben sich viele der ihm zugeschriebenen Bedeutungen entwickelten.

Bischof Marbod von Rennes, ein Autor des 11. Jahrhunderts, hielt den Saphir für das gemmarum gemma, das Juwel der Juwelen: „Von strahlender Leuchtkraft und rein wie der Himmel / steht ihm nichts an Tugend und Schönheit nach.“1 Im 13. Jahrhundert beschrieb der Scholastiker Bartholomeus Anglicus diesen Edelstein in seinem Werk De proprietatibus rerum (Von der Natur der Dinge) als „von blauer Farbe, gleich dem Himmel bei schönem klarem Wetter“.2

Aus den naturphilosophischen Werken des Mittelalters fand dieser Vergleich seinen Weg auch in die Lyrik der frühen Neuzeit: So schrieb etwa Shakespeare vom „heaven-hued sapphire“, dem himmelfarbenen Saphir, in seinem Gedicht A Lover’s Complaint (1609).3

Der Stein der Könige und Bischöfe

Durch seine Assoziation mit dem Himmel gewann der Saphir auch im kirchlichen Kontext an Bedeutung. Im 12. Jahrhundert bestimmte Papst Innozenz III., dass ein Bischofsring aus Gold und Saphir bestehen solle, denn dieser Stein sei ein „Siegel der Geheimnisse“ und Bischöfe hätten ihre Angelegenheiten vor dem weltlichen Volk geheim zu halten.4

Antiker Saphirring der Belle Époque, um 1910

Im 13. und 14. Jahrhundert wurden Saphire im Cabochonschliff zumeist in Goldringe von charakteristischer Steigbügelform gefasst, um kirchliche wie weltliche Träger zu schmücken.5 Die Tradition des kirchlichen und insbesondere bischöflichen Saphirrings lässt sich bis ins 19.6 und sogar frühe 20. Jahrhundert weiterverfolgen.7

Für Kirchenmänner waren es zudem die Konnotationen des Saphirs mit himmlischer Reinheit und Keuschheit, die ihn zu einem angemessenen Edelstein machten. Da sich der Saphir aufgrund seiner hohen Dichte kühl anfühlt, dachte man, er könne heißes Blut beruhigen. So behauptete Isaac Vossius, ein niederländischer Gelehrter des 17. Jh., dass der Saphir die Fleischeslust unterdrücke, was ihn zu einem besonders passenden Stein für Priester und all jene mache, die Keuschheit geschworen hätten.8 Auch von Elisabeth I., der „jungfräulichen Königin“, erzählt man sich, sie habe einen Saphir getragen, um Versuchungen widerstehen zu können.9

Doch es war nicht nur der Saphir, von dem man glaubte er würde sich auf die Moral des Trägers auswirken, sondern auch andersherum: Ein weit verbreiteter Aberglaube besagte, dass ein Saphir, der von einer unkeuschen oder unmoralischen Person getragen wurde, seinen Glanz verliere.10

Großer Saphirring des mittleren 19. Jahrhunderts, vermutlich ein Bischofsring

Diese Assoziationen des Saphirs mit Reinheit, Keuschheit und Glaube blieben noch bis ins frühe 20. Jahrhundert erhalten. 1922 schrieb der berühmte Berliner Goldschmied Emil Lettré über den Saphir: „Es ist Blau die Farbe hingebungsvollen Glaubens und der Keuschheit, blau die Standarte Marias, der Mutter Gottes.“11

Elisabeth I. war nicht die einzige Herrscherin, welcher der Saphir als besonders passender Edelstein erschien. Schon Bartholomaeus Anglicus hatte ihn im 12. Jahrhundert als besonders angemessen für die Finger von Königen erachtet.12 Papst Innozenz III., welcher die Tradition der Bischöfsringe mit Saphir begründet hatte, schenkte 1207 dem englischen König Johann Ohneland juwelenbesetzte Ringe, zu denen er schrieb: „Durch das Gold, welches das Metall des Ringes ist, wird die Weisheit symbolisiert, welche unter all den Geschenken des Himmels hervorsticht so wie das Gold unter den Metallen. [... Auch bedeutet] die Reinheit des Saphirs Hoffnung.“13

Neben dieser moralischen Symbolik schrieb man dem Saphir zudem weitere Schutzfunktionen zu, die ihn insbesondere für jene in Machtpositionen zu einem begehrenswerten Juwel machten. Man glaubte etwa, er bewahre seinen Träger vor dem Einfluss von Trug und Falschheit.

Großer Saphirknopf aus der Saphirgarnitur Augusts des Starken, gefertigt von Johann Melchior Dinglinger um 1720, in den Jahren um 1920 zu einem Ring umgearbeitet

Marbod von Rennes vertrat die Auffassung, wer einen Saphir trage, könne „durch keinen Betrug einen Schaden erleiden“.14 Durch seinen vermeintlich läuternden Effekt auf die Gedanken des Trägers glaubte man zudem, der Saphir könne den Einfluss böser Kräfte und Hexenwerk abwehren.15

Zuletzt schrieb man dem Edelstein sogar die Fähigkeit zu, Gifte zu neutralisieren, insbesondere jene von Insekten und Reptilien: „Seine Tugend wirkt dem Gifte entgegen und tilgt es in jeder Hinsicht aus. Und leget ihr eine giftige Spinne in eine Schachtel, und haltet einen Saphir aus Indien eine Weile an die Öffnung der Schachtel, so bezwinget die Tugend des Saphirs die Spinne und sie stirbt sehr plötzlich. Und oft habe ich dies bewiesen gesehen, an vielen verschiedenen Orten.“16

Ein Heilmittel weltlicher Leiden

Doch es gab auch weitere, weltlichere Gebrechen, für die der Saphir als Heilmittel galt. So glaubte man, er könne Augenleiden heilen, ebenso wie Verdauungsprobleme, psychische Leiden und Kopfschmerzen. Marbod schrieb hierzu, der Saphir nehme „den Schmutz von den Augen, den Schmerz von der Stirn“.17

Viktorianischer Ring mit Saphiren in Gold sowie Saphirohringe mit Diamanten, um 1890

Dieser Glauben schien weit verbreitet gewesen zu sein. Teils wurde empfohlen, den Saphir zu pulverisieren und in Flüssigkeit gemischt zu sich zu nehmen, teils glaubte man, der Stein müsse die Augen berühren. Im Jahre 1391 schenkte der Londoner Richard Preston einen Saphir an den Schrein des St. Erkenwald in der Saint Paul’s Cathedral, auf dass der Stein kranke Augen heilen möge.18 Im 15. Jahrhundert besaß Mary Stuart einen in Gold gefassten Saphir „der dazu dient, mit ihm die Augen zu reiben“,19 und auch Karl V. besaß einen solchen Stein zu diesem Zweck.20

Im Hinblick auf diesen alten Glauben erscheint es als interessante Volte der Geschichte, dass Saphire um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Mikroskoplinsen genutzt wurden.21

Ferner glaubte man auch, der Saphir könne Leiden des Geistes heilen, insbesondere Melancholie – eine historische, veraltete Diagnose für eine Krankheit, die der Depression ähnelt. In seinem einflussreichen Werk The Anatomy of Melancholy schrieb Robert Burton im 17. Jahrhundert: „der Saphir, welcher der schönste aller edlen Steine in Himmelsfarben ist, und ein großer Feind der schwarzen Gallenflüssigkeit, befreit den Geist“.22

Im Kontext der damaligen Temperamentenlehre wurden Krankheiten wie Melancholie auf ein Ungleichgewicht der vier sog. Körpersäfte zurückgeführt: rotes Blut, weißer Schleim, gelbe und schwarze Gallenflüssigkeit. Melancholie galt als Überschuss der schwarzen Gallenflüssigkeit im menschlichen Körper. Diese Säfte, so glaubte man, würden durch die Verdauung gebildet – man mag also annehmen, dass historisch eine Verbindung zwischen dem Saphir als Heilstein gegen Melancholie und als Heilstein gegen Verdauungsleiden bestand.

Der Saphir in der Edelsteinsprache der Moderne

Collier der Belle Époque mit Saphircabochon und Diamanten, um 1905

Im Zuge der Aufklärung und Entwicklung der Naturwissenschaften wurde der Glaube an die okkulten Fähigkeiten der Edelsteine ab dem 18. Jahrhundert zunehmend infrage gestellt. So heißt es in einem Traktat von 1774: „Gleiche Tugenden, naemlich dem Gifte zu widerstehen, das Herz zu erfreuen, und damit nichts fehle, auch die Augenkrankheiten wegen der blauen Farbe, und die Geschwuere des Eingeweides zu heilen, hat man dem Sapphire zugeschrieben. [...] Allein wie unvermögend diese seyen, sieht jeder Vernuenftige ein.“23

Im 19. Jahrhundert hatte sich der feste Glaube an den Saphir als Talisman und Heilstein gegen allerlei Gebrechen weitgehend verloren – wenn auch noch nicht ganz. So hieß es noch 1886 im Damenjournal Der Bazar: „Und noch heute, wie gesagt, blitzt uns der Aberglaube aus den Edelsteinen entgegen. Ein Saphirring soll große sittliche Kraft besitzen; wer ihn trägt, wird sich niemals in schlechte Gesellschaft begeben“.24

Im Großen und Ganzen jedoch glaubte man nicht mehr, dass den Edelsteinen wirkliche Kräfte innewohnten. Stattdessen begann man, die Edelsteine mit kulturellen Bedeutungen zu versehen, in der Regel mit dem Ziel, durch die Steine Aussagen über die Tragenden oder Schenkenden zu tätigen. Eine Sprache der Edelsteine entwickelte sich, analog etwa zur Floriographie, der Sprache der Blumen, durch die man bedeutungsvolle Bouquets zusammenstellte.

Verschiedene Ringe mit Saphir und Diamanten des frühen 20. Jahrhunderts.

Wie im Falle der meisten Edelsteine, so basierten auch die symbolischen Bedeutungen des Saphirs im 19. Jahrhundert lose auf der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Überlieferung. Da man früher geglaubt hatte, der Saphir würde die Sittlichkeit fördern und vor Falschheit schützen, machte man ihn nun zum Symbol der Wahrheit. Da man ihm einst nachgesagt hatte, er kühle das Blut und schütze vor fleischlicher Versuchung, wurde er nun zum Edelstein der Treue.

Die zeitgenössischen Beispiele sind zu viele, um hier einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Der viktorianische Maler Edward-Burne Jones etwa schrieb in einem Brief an seine Freundin Frances Graham: „Der Saphir bedeutet Wahrheit, und ich bin niemals ohne ihn. [...] Den Saphir mache ich zu meinem Wahrzeichen!“25

Art Déco Armband mit unbehandelten Saphiren & Diamanten in Platin, um 1930

Dass diese dem Saphir zugeschriebenen Bedeutungen bis ins frühe 20. Jahrhundert kursierten, beweist schließlich eine Passage aus George Kunz’ berühmtem Werk über die Kulturgeschichte der Edelsteine, The Curious Lore of Precious Stones, erschienen 1913: 

„Der Saphir – der Edelstein des Herbstes, blau wie der herbstliche Himmel – ist ein Symbol der Wahrheit, Aufrichtigkeit und Beständigkeit. Weniger lebhaft als sein Geschwisterkind, der Rubin, der für die brennende Leidenschaft steht, verkörpert der Saphir die unaufgeregte und sturmerprobte Liebe; er passt daher besonders gut zur Herbstsaison, wenn die sich neigende Sonne nicht länger mit den feurigen Strahlen des Sommers, sondern mit gemäßigter Leuchtkraft scheint.“26

1 „Egregium fulgens, puroque simillima coelo, / Vilior est nullo virtutibus arque decore.“ – Marbodi Liber lapidum seu De gemmis varietate lectionis et perpetua annotatione illustratus a Iohanne Beckmanno, hrsg. von Johann Beckmann (Göttingen: J. C. Dieterich, 1799), S. 21.

2Medieval Lore: An Epitome of the Science, Geography, Animal and Plant Folk-Lore and Myth of the Middle Age: Being Classified Gleanings from the Encyclopaedia of Bartholomew Anglicus On the Properties of Things, hrsg. von Robert Steele, (London: Elliot Stock, 1893), S. 36.

3William Shakespeare, A Lover’s Complaint, Z. 215.

4Vgl. Kate Pavitt/William Thomas Pavitt, The Book of Talismans, Amulets, and Zodiacal Gems, (London: William Ride & Son, 1922), S. 154 f.

5Arthur Herbert Church, Precious Stones Considered in their Scientific and Artistic Relations. A Guide to the Townshend Collection, Victoria and Albert Museum Handbooks. Precious Stones, überarbeitete Ausgabe, (London: His Majesty’s Stationery Office, 1913), S. 80.

6Vgl. Edward Clapton, The Precious Stones of the Bible, (London: Simpkin, Marshall, Hamilton, Kent & Co., 1899), S. 79.

7Vgl. Francis Stopford, The Romance of the Jewel, (London: Mappin & Webb, 1920), S. 67.

8Vgl. Charles King, The Natural History, Ancient and Modern, of Precious Stones and Gems, and of the Precious Metals, (London: Bell & Daldy; Cambridge: Deighton, Bell & Co, 1865), S. 201.

9Vgl. Emil Lettré, Kleinodien, (Berlin: Reiss, 1922), S. 21.

10Vgl. Anita de Barrera, Gems and Jewels, (London: Richard Bentley, 1860), S. 244.

11Lettré, S. 21.

12Vgl. Medieval Lore, S. 36.

13Papst Innozenz III. an Johann Ohneland, zitiert in: Henry Kames, Sketches of the History of Man, Bd. I, (Edinburgh: William Creech, 1813), S. 160.

14„Et qui portat eum nequit vlla fraude noceri.“ – Marbodi Liber lapidum, S. 22.

15Vgl. Isidore Kozminsky, The Magic & Science of Jewels & Stones, (New York: G.P. Putnam’s Sons, 1922), S. 359.

16Medieval Lore, S. 36.

17„Tollit ex oculis sordes, ex fronte dolorem.“ – Marbodi Liber lapidum, S. 22.

18Vgl. George Frederick Kunz, The Curious Lore of Precious Stones, (Philadelphia & London: J. B. Lippincott Company, 1913), S. 387.

19Joseph Robertson, Inventaires de la Royne Descosse Douairiere de France, (Edinburgh: [ohne Verleger], 1863), S. 101.

20Kunz, S. 388.

21Lewis Feuchtwanger, A Popular Treatise on Gems..., 3. Aufl., (New York: Selbstverlag, 1867), S. 219.

22Robert Burton, The Anatomy of Melancholy..., 5. überarbeitete Auflage, (Oxford: Henry Cripps, 1638), S. 367.

23D. Johann Wilhelm Baumers,Naturgeschichte aller Edelsteine..., übersetzt von Karl Meidinger (Wien: [ohne Verlag], 1774), S. 91.

24Max Lortzing, „Allerlei über Edelsteine“, Der Bazar, 32 (1886), Nr. 43, S. 463.

25Zitiert in: Fiona MacCarthy, The Last Pre-Raphaelite. Edward Burne-Jones and the Victorian Imagination, (Cambridge, MA: Harvard University Press, 2012), S. 321.

26Kunz, S. 324.

Lea Felicitas Döding

Als Kunsthistorikerin interessiert mich vor allem die materielle Kultur des Schmucks. Wie wurde ein Stück getragen, von wem und zu welchem Zweck? Welche Bedeutungen verband man mit Edelsteinen und Schmuckentwürfen? Diesen Fragen versuche ich für das Hofer Magazin auf den Grund zu gehen – und tauche dabei oft tief in die Schmuckgeschichte ein.

Neuigkeiten und Hintergründe

Entdecken Sie unser Magazin

jetzt lesen